Donnerstag, 31. Dezember 2015

DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN

Die Entwicklung einer Vorstellung

von 2003 bis heute


Ich denke, ich habe die Papiertheatervorlagen für DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN im Jahre 2002 in Preetz erworben und mich sehr rasch daran gemacht, dieses Märchen von Hans Christian Andersen zu für meine Bühne zu inszenieren. Ich habe dieses Märchenspiel  seit damals nunmehr schon an die 60 Male vor insgesamt ca,.1400 Gästen aufgeführt. Doch besteht zwischen der Ersten Aufführung dieses Stückes und der heutigen Version ein wirklicher sehr großer Unterschied, im Bühnenbild, Inszenierung und Text. Ich hier gerne versuchen, eine kleine Entwicklungsgeschichte dieses Märchens darzustellen
Mehr als das Bühnenbild, die Seitenkulissen und einige Figuren hatte ich in Preetz nicht bekommen. So musste ich also daran gehen, mit diesen Bestandteilen und dem Text aus dem Märchenbuch ein Stück "zusammen zu bauen".

Der Text

Gott sei Dank gab es zu den Figurenbögen kein Textheft. So war ich frei in der Gestaltung des Textes. Da ich im Grunde genommen noch überhaupt keine Aufführungspraxis hatte, Legte ich mir einen Text zurecht, welchen ich als Erzähler, passend zu den einzelnen Szenen, live zu sprechen gedachte. Immerhin gab es bei den Figurenbögen "Darsteller", welche im Märchen überhaupt nicht vorkommen. So bekam als jede Figur eine oder mehrere Textstellen.

Dramaturgische Höhepunkte des Stückes

Es gibt in dieser Erzählung vor allem zwei besonders wichtige Stellen. Zunächst sind es die Träume des Mädchens, die Kutsche und schlussendlich der dramatische Tod des Kindes.
Die Inszenierung beider Stellen erwiesen sich als besonders problematisch.

Die Träume

In der Originalvorlage wäre vorgesehen gewesen, die Träume in der Hauswand der Seitenkulisse erscheinen zu lassen. Obwohl ich mich zu Beginn der Arbeiten genau an die Vorgaben gehalten habe, musste ich aber sofort feststellen, dass diese - notabene sehr kleinen - Träume in der Seitenkulisse zumindest von der Hälfte der Zuseher nicht wahrgenommen werden können. So entschloss ich mich, die Traumszenen in Wolken aus Transparentpapier zu transponieren und auf Stichwort jeweils die entsprechende "Traumwolke" in die Mitte der Bühne - jetzt für alle sichtbar - zu führen.
Das Erscheinen der Träume wird in der Erzählung jeweils durch das Entzünden eines der Schwefelhölzchen evoziert. Dies konnte ich anfänglich nicht darstellen, so dass die Zuschauer dabei auf ihre Phantasie angewiesen waren.

Bereits nach den ersten Vorstellungen erschien es mir sehr wichtig, die Kälte der Situation durch Schnee auf der Bühne zu unterstreichen. Leichter gesagt als getan. Doch bald hatte ich die Idee, aus Seidenpapier "Schneeflocken" herzustellen und diese per Nudelsieb in einen Schneefall zu verwandeln. Dies gelang nicht nur sehr gut, sondern wurde vom Publikum auch besonders honoriert. Der Schneefall ist seit dem ein unverzichtbarere Bestandteil der Inszenierung dieses Märchens von Hans Christian Andersen. Um der Bühne ein winterliches Kleid zu geben, bestücke ich die spielfreien Schienen mit weißen Styroporstreifen.

Obwohl nun die Träume bühnenzentriert in Erscheinung traten, sind aber noch immer Wünsche bezüglich der Deutlichkeit unerfüllt geblieben. Die Erfüllung dieser Wünsche hat dann an die 12 Jahre gedauert. Erst 2015 hatte ich die "zündende Idee" auf welche Weise ich den Traum von hinten beleuchten kann. Ich musste dazu das Bühnenbild neu gestalten und eine verschiebbare Klappe einbauen, welche dann geöffnet werden kann, sobald der Traum davor platziert ist. Dann aber kann der Traum von hinten beleuchtet werden und erscheint sehr deutlich und sehr eindringlich. Aber wie gesagt, zwischen dem Wunsch und der Verwirklichung lagen ca. 12 Jahre.

Die Kutsche

Gleich zu Beginn der Aufführungen stellte sich ein wesentlicher Mangel bei  den Papiertheatervorlagen heraus. Im Märchen von Hans Christian Andersen spielt eine Kutsche ein wesentliche Rolle. Ohne Kutsche eigentlich kein  Märchen. Also machte ich mich daran, eine Kutsche zu zeichnen,
welche dann "durch das Schneegestöber fährt" und den Verlust eines Pantoffels des armen Mädchens verursacht. Lange Zeit habe ich das Geräusch der Kutschenpferde mit Zungenschnalzen und Schellenglöckchen verdeutlicht. Die Schellenglöckchen sind geblieben. Für das Pferdegetrappel habe ich jetzt ein kleines handliches Perkussionsgerät, welches ich auf einem Kunstmarkt in Kärnten gefunden habe. Der Vorteil: ich kann es mit einer Hand bedienen!

Der Beginn der Geschichte

Nach vielen, vielen Aufführungen dieses romantischen und sozialkritischen Märchens hatte ich das Gefühl. die Handlung sei für eine "richtige" Vorstellung zu kurz. So überlegte ich, die Geschichte im armen Elternhaus des Mädchens beginnen zu lassen, um dem Zuschauer zu erklären, in welcher Armut diese Familie lebt. Aus dem vorhandenen Figurenmaterialverwandelte ich zwei Figuren in Mutter und Vater. Als "arme Stube" nahm ich die "Müllerstube" aus dem Gestiefelten Kater. In dieser Szenerie ist nun zuerst die verzweifelte
Mutter in dem Moment zu sehen, in welchem sie feststellt, dass überhaupt nichts mehr zu essen und zu trinken, bzw,. zum Einheizen zu Hause ist. Als der heimkehrende Vater erzählt, an diesem Tag keine Arbeit bekommen zu haben und er mit leeren Händen nach Hause kommt, entwickelt er die Idee, das Kind zum Verkauf der Schwefelhölzchen auf die Straße zu schicken

Die Schlussszene

Der furchtbare tragische und traurige Schluss dieses Märchens ist, dass das arme Mädchen am Morgen des nächsten Tages von Passanten erfroren gefunden wird. Gott sei Dank hat meine liebe rau befunden, dass das - vor allem, da das Stück ja vor Kindern gespielt wird - gar nicht geht. Tatsächlich ist dieser Schluss auch dramatisch nicht sehr toll. So machte ich mich daran - angestachelt vom Wunsch meiner Frau - ein anderes Ende - aber doch gleichen Inhaltes zu erfinden.
Da das Mädchen so gerne an seine verstorbene Großmutter denkt, machte ich mir dies zu Nutze und fügte als quasi viertes Traumbild ein bühnenfüllendes Bild ein, welches die Großmutter in einer Küche zeigt. Dieses Bild "spielt" schon im Himmel und das erfrorene kleine Mädchen kommt also in den Himmel zu seiner Großmutter. Wenn diese sagt: So komm doch zu m mir in den Himmel, da musst Du nie mehr hungern und frieren!" wissen alle Zuschauer Bescheid und es ist zugleich ein sehr romantischer Schlusspunkt. Es gibt mittlerweile schon eine zweite Version dieses Bildes, welches die "himmlische Situation" besser verdeutlicht.

Die Sprache

Wie ich zu Beginn festgehalten habe, erzählte ich anfänglich den Text zu den "bewegten" Bildern. Eines Tages meinte ein befreundeter Puppenspieler, ich solle doch versuchen, den "Erzähltext" in Dialoge zu verwandeln, damit die ganze Geschichte mehr Leben erhält. Ich habe das dann versucht und festgestellt, wie leicht mir dies fällt und wie groß der Erfolg beim Publikum damit ist.
Jede Figur bekam "ihre Stimme" und "ihre Stichworte". Ich lernte mit den Figuren mitzuatmen und mich für den Moment des Auftritts
der einzelnen Figur ganz in diese hineinzufühlen. Dies war der Anfang meiner Stegreiffassungen bei den Märchenstücken, die ich bis heute beibehalten habe und meinem Freund für seinen Rat ganz besonders dankbar bin. Es gibt zu der "Stegreiffassung" eine kleine Anekdote. Als ich das Stück im Herbst 2015 bei den Internationalen Puppentheatertagen in Mistelbach  aufführte, wurde ich vom sehr interessierten Saalwart nach der zweiten Vorstellung darauf angesprochen, ich hätte bei der zweiten Vorstellung einen anderen Text gesprochen! Ich habe ihn darauf hin eingeladen, auch die dritte und die vierte Vorstellung anzusehen, damit er alle weiteren "Stegreif-Versionen" erleben könne, was er auch dankbar gemacht hat.

Die Figurenführung

Wenngleich die meisten Figuren sich lediglich von links nach rechts oder umgekehrt bewegen können, gibt es zwei "Spielmacher-Figuren", die dank der drehbaren Figurenführer von Aage Rosholm nicht nur die Richtung ändern, sondern sich auch frei über die Bühne bewegen können. Dadurch kann ich zum Beispiel mit dem armen Mädchen die anderen Protagonisten "bettelnd" anspielen. Auch der Polizist bewegt sich freier über die Szene als die anderen Figuren. Dies alles trägt zur Verlebendigung des Geschehens wesentlich bei.

Die Musik

Die musikalische Umrahmung dieses Stückes ist seit Anbeginn an eine sehr romantische Klaviermusik, welche ich zu den passenden Gelegenheiten vom Abspielgerät abrufe.

Schneemaschine

Ein wichtiges Element ist bei diesem Stück der Schneefall. Dank des Hinweises eines befreundeten Münchner Puppenspielers konnte ich sehr bald eine "Schneenmaschine" anfertigen, die seitdem zum Einsatz kommt und beim
Backstage Jung und Alt begeistert. Anfänglich war der Antrieb eine Handkurbel, mittlerweile gibt es bereits einen kleinen Elektromotor. Der "Schnee" wird mit der "Kräuterschere" aus Seidenpapierlagen geschnitten.


Dieses Stück hat sich über die Jahre verändert. Ich habe Figuren dazu erfunden und die Kulissenverändert. Wie schon erwähnt habe ich das Bühnenbild mit einer "unsichtbaren" Klappe versehen, welche eine Öffnung für das Hinterlicht zu Beleuchtung der Träume freigibt, versehen. Aber auch ich bin mit diesem Stück gewachsen und habe mich "freigespielt" von anscheinend bestehenden Vorgaben, was Papiertheater ist und wie es gespielt werden soll. Wie sagt Nestroy schon "Es ist alles Chimäre, es ist alles net wahr!". Die Freiheit in der Darstellung erfüllt erst die Bühne mit Leben und sei die Bühne auch noch so klein.


Gerne lade ich alle Interessierten ein, mich bezüglich dieses Stückes zu kontaktieren. Ich werde sehr gerne Auskünfte geben, soweit ich das kann.

Sonntag, 27. Dezember 2015

Ein bemerkenswertes Jahr für mein Papiertheater


45 Vorstellungen  in Österreich und Deutschland


Das Jahr 2015 war für mich und das Papiertheater ein bemerkenswertes Jahr, an welchem viele interessierte und begeisterte Menschen sehr aktiv teilgenommen haben. 45 Vorstellungen in Wien, Mödling, Mistelbach, Niederwaldkirchen,  Neulengbach und Vilsbiburg beinhalteten FROSCHKÖNIG; CARMEN RASANTE, FAUST IN KÜRZE,  LOHENGRIN FÜR EILIGE, DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN, DIE SCHAURIG SCHÖNE GESCHICHTE VOM GEVATTER TOD und den Workshop VON DER SCHUHSCHACHTEL ZUM PAPIERTHEATER. Viele liebe Menschen habe ich dabei in Österreich und Deutschland kennengelernt und auch viele neue Freunde für das Papiertheater gewinnen können.


WORKSHOP

Es gab  einige herausragende Ereignisse, die ich besonders erwähnen möchte. Zunächst war dies die Veranstaltung des Workshops in der Sporthauptschule Niederwaldkirchen, in Oberösterreich. Nicht nur, dass die Kinder der Klasse von ihrer Lehrerin  hervorragend vorbereitet und einstudiert waren, so dass die Arbeit mit ihnen ein großes Vergnügen war, wurden die Kinder bei der abschließenden Aufführung von einer Mutter mit der Gitarre bei allen Liedern begleitet. Ja, sogar es war zum Abschluss ein kleiner Tanz zu BRÜDERLEIN KOMM TANZ MIT MIR, einstudiert. Die Aufführung von HÄNSEL UND GRETEL selbst wurde von den Kindern mit einem modernen witzigen Text gespielt.

Das großartigste Ereignis fand aber einige Zeit nach dem workshop statt, als die Klassenlehrerin mit den Kindern in den örtlichen Kindergarten  und auch in das örtliche Altenheim ging. Dort spielten die Kinder mit ihren Bühnchen das Stück vor und bewirkten bei den großen und kleinen Zuschauern überaus große Freude und Begeisterung. Diese Freude sprang auch auf die Kinder über, die plötzlich das Gefühl des Selbstwertes erfahren konnten.


imagination

Im Juni 2015 konnte ich nach einem Jahr intensiver Arbeit mein erstes absurdes Stück imagination vor eine Gruppe von Künstlern und sehr interessierten Freunden uraufführen. die sechs Episoden mit Bildern von Spoerri, Niki de St.Phalle, Magreiter, Magritte, Mondrian und Katz erhielten durch die Auftragskomposition von KarlHeinz Essl einen hinreißenden Rahmen.
Es ist mir mit diesem Stück der Beweis gelungen, dass Papiertheater keine ausschließliche Form des 19. Jahrhunderts sein muss. Viele nachfolgende Vorstellungen, davon auch anlässlich der 200-Jahr Feier der Technischen Universität Wien, haben das Gelingen dieses Beweises erhärtet. Die Komposition von KH Essl und Bilder sind eine Einheit geworden, welche sämtliche interessierten Besucher "hineinziehen"!
  

Gastspiele bei Internationalen Festivals


Mit viel Freude kann ich von den Gastspielen bei den Internationalen Puppentheatertagen in Mistelbach und beim Internationalen Papiertheaterfestival in Vilsbiburg berichten, bei welchen ich mit DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN
ein sehr guter Publikumsmagnet war. in Vilsbiburg  konnte ich aber auch die 80. Vorstellung von LOHENGRIN FÜR EILIGE vor über 40 Gästen feiern.

Ich hatte das große Glück, in Mistelbach im sogenannten Barockschlöß'l, in einem sehr intimen Saal  spielen zu dürfen. Dabei wurde ich von einem besonders interessierten Saalwart betreut, welcher sich alle vier Vorstellungen des MÄDCHENS MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN ansah, obwohl er nach der zweiten Vorstellung bemerkte: "Bei der ersten Vorstellung haben's aber an andern Text g'sogt!" Das hat ihn neugierig macht, die beiden weiteren "Stegreif-Versionen" des Märchens zu erleben.
In Vilsbiburg durfte ich wieder neue Papiertheaterkollegen aus Holland und Deutschland kennenlernen. Diese Begegnungen erweitern immer den "Papiertheater-Horizont" und begründen oft neue Freundschaften.

Rotkäppchen

Ein wirklich umwerfender Erfolg wurde die Premiere von ROTKÄPPCHEN im November im MÖP Figurentheater in Mödling. Über 140 Gäste konnten bei den insgesamt 4 Vorstellungen vor meinem Bühnchen begrüßt werden.
Die dabei zum ersten Mal eingesetzte "Drehbühne" erwies sich für die offene Verwandlung als geradezu ideal. Die Version der Geschichte, in welcher der Wolf keine Zähne hat, weil er nie beim Zahnarzt war und nie Zähne geputzt hat und letzten Endes dadurch am Leben bleibt, hat gefallen und wird sicher noch in sehr vielen Vorstellungen gezeigt werden können.

 

Der Lange Tag des Papiertheaters

Im Dezember 2015 rief ich den sogenannten "Langen Tag des Papiertheaters" aus. An einem Tag veranstaltete ich den Workshop VON DER SCHUHSCHACHTEL ZU PAPIERTHEATER, spielte die Herbergsuche JESSASMARIAUNDJOSEF und beschloss den Tag mit einer Vorstellung imagination. Ein großartiger Spannungsbogen beginnend mit der spielerische Beschäftigung bis zum absurden Geschehen auf der Papiertheaterbühne. Es war ein toller Tag.

 

Vorschau auf  Februar 2016


Am 19., 20.. und  21. Februar 2016 habe ich Gelegenheit, im Bezirksmuseum Wieden drei wunderschöne Märchen zu zeigen. Zunächst wird die Wiener Erstaufführung meiner ROTKÄPPCHEN Fassung zu sehen sein. Danach gibt es den "Klassiker" DER GESTIEFELTE KATER und zum Abschluss zeige ich das allerschönste meiner Märchenstücke DIE SCHAURIG SCHÖNE GESCHICHTE VOM GEVATTER TOD. Die Vorstellungen werden um 16 Uhr beginnen.

 

Ulrich Chmel's Papiertheater in den ORF MENSCHENBILDERN

Am 17. Jänner 2016 ORF - Ö1 aufdrehen

Ulrich Chmel's Papiertheater in den MENSCHENBILDERN

Das Jahr 2015 endete für mich  mit einem vollkommen überraschenden Schlusspunkt. Ich wurde vom Kinderbuchautor und ORF-Sendungsgestalter Heinz Janisch eingeladen, mit ihm ein Interview  für die Sendung MENSCHENBILDER aufzunehmen. Kern dieses Interviews war naturgemäß das PAPIERTHEATER als Mittelpunkt meines "zweiten Lebens". Die Sendung MELNSCHENBILDER mit dem Titel IM PALAST DES ZAUBERERS wird am Sonntag dem 17. Jänner 2016, im ORF, Sender  Ö1, um 14:05 ausgestrahlt.