DIE SCHAURIG SCHÖNE GESCHICHTE VOM GEVATTER TOD
Eine Collage aus einem Märchen und Bruchstücken des Berner Totentanzes
Vor sehr vielen Jahren hatte ich die Gelegenheit, im
Rahmen des Figurentheaterfestivals in
Mistelbach eine Aufführung des Märchens aus der Sammlung der Gebrüder Grimm “GEVATTER TOD“ zu erleben, welche in grandioser Weise ein
Schweizer Puppenspieler mit Handpuppen dargeboten hat. Als ich dann, Jahre
später, im Berner Stadtmuseum den BERNER
TOTENTANZ kennenlernte, war es für mich wie ein zündender Funke, mich dieses
Themas auf der Papiertheaterbühne anzunehmen.
GEVATTER TOD
Das Märchen aus der Grimmschen Sammlung ist ein sehr
kurzes und ein wunderschönes Gleichnis, wie achtsam man mit seinem Können und Begabungen umgehen sollte.
Der TOD, welcher
vom armen Mann für sein 13. Kind zum Taufpaten auserkoren wird und dabei den
Vorzug vor dem LIEBEN GOTT und dem TEUFEL bekommen hatte, läßt dieses Kind
Medizin studieren. Als Taufgeschenk erhält der fertige Arzt ein Wunderkraut,
welches er jenen Patienten geben soll, bei welchen er den TOD am Kopfende des
Krankenbettes sieht, worauf diese sofort
geheilt werden. Sollte er den TOD jedoch am Fußende des Krankenbettes sehen, so
müsse er diesen Patienten dem TOD überlassen. Niemals dürfe er den TOD dabei
betrügen. Es kommt wie es kommen muß und der junge Arzt wird weltberühmt. Eines
Tages wird dieser berühmte Arzt an das Krankenbett des sterbenskranken Königs
gerufen, wo der Arzt den TOD am Fußende des Bettes erkennt. Die vielen
Versprechungen des Königs lassen den Arzt sein Wort, welches er dem TOD gegeben
hatte, vergessen und veranlaßt, daß das Bett gedreht werden solle. Dadurch
übertölpelt er den Tod, kann den König heilen und wird reichlich
beschenkt. Trotz der Drohungen des
Todes, sich für diesen Betrug zu rächen, passiert es, daß, viele Jahre später,
der gleiche Betrug zur Heilung der todkranken Prinzessin vollzogen wird. Daraufhin nimmt der Tod den Arzt in sein
Reich und zeigt ihm die Lebenslichter der Menschen und bläst ohne Gnade das
Lebenslicht des Arztes aus.
TOTENTANZ
Als Totentanz bezeichnet man jene bildlichen
Darstellungen aus dem 14. Und 15. Jahrhundert, an – zumeist – Friedhofsmauern,
Kirchenfenstern und Beinhäusern, die den Menschen vor Augen führen sollen, wie
gerecht der Tod ist. Nur er mache keinen Unterschied zwischen arm und reich,
zwischen Kaiser und armen Mann, zwischen Gottesdiener und Bösewicht. Die bildliche
Darstellung wurde dafür gewählt, um die Botschaft auch jenen Menschen geben zu
können, die nicht lesen und schreiben konnten.
PAPIERTHEATERSTÜCK
Für mich stellte
sich nun die Aufgabe, das Grimm‘sche Märchen zu dramatisieren, ein passendes
Bühnenbild zu schaffen, die Figuren für dieses Stück auszuwählen und eine Musik
für das ganze zu finden.
Drei Spielflächen
Bei der Konzeption hatte ich die Idee, die Geschichte
erstens auf drei verschiedenen Spielflächen aufzuteilen:
· Die Vorgeschichte· Die Lebensumwelt des jungen Arztes
· Das Reich des Todes bzw. die Räume des Königs und der Prinzessin.
Für die Vorgeschichte – die Auswahl des Taufpaten
(Gevatter) – sah ich die Vorbühne vor, welche durch eine Buschlandschaft von
der späteren Lebensumwelt des Arztes getrennt erscheint.
Die zweite Spielfläche, eine fiktive alte Stadt, als
Lebensumwelt des Arztes, stellte ich vor einer kleinen Mauer, in welcher
Lichter in Laternen brennen. Diese sollten späterhin die Lebenslichter sein.
Hinter der Mauer stellte ich die Konturen der Stadt als Schattenriß.
Jene Spielteile, die im Reich des Todes bzw. des Königs
spielen, werden auf dem Niveau der Mauerkrone angesiedelt. Es ist die Abgehobenheit aus dem Alltag der
Menschen, was damit symbolisiert werden soll.
Einfügung von Elementen des Totentanzes
Aus den über zwanzig Szenen des Berner Totentanzes wählte ich sechs aus, um diese zu Beginn, nach den „Betrugs-Szenen“ und zum Schluß des Stückes einzubauen. Für den Beginn und die Schlußsequenz wählte ich die Darstellung der musizierenden Gerippe im Beinhaus. Für die Tanzsequenzen wählte ich die Figuren· des Kaisers
· Des armen Mannes
· Des Kaufmannes und
· Des Arztes aus.
Die Figuren des Stückes
Die Bilder des Berner Totentanzes waren für mich so
sprechend, daß ich mich daran machte, diese Figuren nachzuzeichnen und für
meine „Rollen“ des Stückes zu adaptieren. Auf diese Weise entstanden die
Figuren des unglücklichen Vaters, auf der Suche nach dem Paten, seine Frau, der
Liebe Gott, der Teufel, der junge Arzt, 3
Frauen und 3 Männer – welche vom Werdegang des Arztes erzählen, ein Herold, ein
Vertrauter des Königs, der Kaiser, der arme Mann und der Kaufmann.
Die Figur des Todes und jene des „Sensenmannes, welcher
das Lebenslicht ausbläst“ habe ich
eigenständig gezeichnet und den anderen Figuren angepaßt. Die Figur des Todes
wurde letztlich eine filigrane Laubsägearbeit, welcher ich zuletzt einen
schwarzen Chiffon-Mantel übergelegt habe. Tod trägt als Kopfbedeckung eine
schwarze „Gugel“.
Die Kulissen des Stückes
Für die Eingansszene habe ich Nachdrucke von „Waldkulissen“ aus dem 19. Jahrhundert gewählt. Gemeinsam
mit der Buschlandschaft ergibt dies eine eigenständige Szenerie, welche die
Lebenswelt des unglücklichen Vaters, z.B. als im Wald lebender Taglöhner,
darstellt.
Die alte Stadt mit der Mauer und dem Schattenriß habe ich
erfunden und selbst entwickelt. Der Schattenriß wird bei der Aufführung
hinterleuchtet, um das Gefühl zu verstärken, nur Schatten zu von Häusern zu
sehen.
Für das Reich des Todes habe ich ein Prospekt mit einem
zentralperspektifischen Ausgang, so quasi als Fluchtpunkt einer dunklen
Säulenhalle entwickelt. Diese Säulenhalle habe ich auch durch entsprechende
Seitenkulissen verstärkt. Der Prospekt kann gewechselt werden: Krankenlager des
Königs, Prinzessin, bzw. Beinhaus (mit beweglichen Gerippen).
Zu den Kulissen zähle ich auch das Himmelbett des Königs,
bzw. jenes der Prinzessin, welche „umgedreht“ werden können.
Die Musik zum Stück
Ursprünglich hatte ich die Idee, einen mir bekannten
Drehleierspieler zu ersuchen, eine entsprechende Musik für dieses Stück zu
spielen. Doch wurde diese Idee von jener übertroffen, die Prinzipalin des Möp-Figurentheaters,
Katharina Mayer-Müller, zu ersuchen, Orgelimprovisationen dazu einzuspielen.
Katharina Mayer-Müller hat Klavier und Orgel studiert und fungiert in mehreren
Kirchen als Organistin. Sie hat dieser Idee sofort zugestimmt und letztlich
großartige leitmotivische Orgelimprovisationen für die einzelnen Szenen
eingespielt.
Bei diesem Stück alle Stimmen zu sprechen - wie immer auch die Frauenstimmen - war eine große Herausforderung für mich, die mir aber auch wieder großes Vergnügen bereitet hat. Gemeinsam mit meinem langjährigen Tonmeister, Alexander Scherzer, konnte ich sogar "die Chöre" singen.
Geschichte des Stückes
Obwohl DIE SCHAURIG SCHÖNE GESCHICHTE DES GEVATTER TODES
schon im Oktober 2011 auf die Papiertheaterbühne kam, wurde es erst 9 Mal
aufgeführt. Es ist ja eigentlich wie ein Märchenstück, welches man auf Grund
der Thematik immer nur so um die Zeit des Novembers (Totengedenken) aufführen
kann. Der Begriff TOD hält sehr viele Menschen davon ab, das Stück von sich aus
zu verlangen bzw. hält auch viele Menschen davon ab es überhaupt ansehen zu
wollen. Ich bin aber sicher, daß die Qualität des Stückes so gut ist, daß es
die Zeiten überstehen und auch noch in vielen Jahren aufgeführt werden kann.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass ein sehr interessanter Artikel über DIE SCHAURIG SCHÖNE GESCHICHTE VOM GEVATTER TOD im Mitteilungsblatt der Europäischen Totentanz-Vereinigung e.V. http://www.totentanz-online.de/totentanz.php (15. Jahrgang, November 2013, Heft 175) erschienen ist.
NACHTRAG vom 2.11.2013:
Leider verfüge ich nicht über eine elektronische Ausgabe von TOTENTANZ AKTUELL. Daher habe ich die Seiten eingescannt und füge sie auf diese Weise diesem Beitrag zu: