Ein Stück für das Papiertheater von Ulrich Chmel, mit
der Musik von Karlheinz Essl
Ein Vorbericht
Spricht man vom
Papiertheater, denken „Eingeweihte“
sofort an die Darstellungsform des 19. Jahrhunderts. Egal welche
traditionelles Papiertheater Foto: A.Hager, Wien |
„Papiertheaterverlage“, die allermeisten haben bereits im 19. Jahrhundert ihre
Papiertheatermaterialien produziert und vertrieben, nota bene war natürlich
alles so gezeichnet, wie die Zeichner die Dekorationen und Figuren in den
Theatern damals gesehen und erlebt hatten. Naturgemäß waren auch die Themen,
Themen die damals en vouge waren. Wie letzthin ein Papiertheaterfreund auch
sehr richtig bemerkte: Die Themen und ihre Darstellungsformen waren
massentauglich, d.h. sie waren auch kommerziell erfolgreich zu verwerten.
Diese Darstellungsform
wird naturgemäß von den Papiertheaterspielern des 20. Jahrhunderts und des 21.
Jahrhunderts übernommen, da diese Materialien als Nachdrucke vorhanden sind und
es kaum bis gar keine Vorlagen aus neuerer Zeit vorliegen. Der Grund dafür ist einfach: Papiertheater ist
im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts aus der Mode gekommen. Papiertheater war nicht mehr „massentauglich“.
Papiertheater und eigenständige Ideen
Wenige Papiertheater
Begeisterte gab und gibt es, die Stücke selbst entwerfen und zeichnen und damit
die Möglichkeiten für das Papiertheater bis in die Formen der Gegenwartskunst
hinaus ausweiten. Meine Kenntnis der europäischen Papiertheaterszene ist sehr
gering, aber ich kenne doch immerhin schon Gabriele Brunsch, Harry
Oudekerk, Per Brink Abrahamsen, Gerhard
Weiß, Betsy pappcartoon, Haases Papiertheater, Grims Papierteater, Lena Lang
(Kusthochschule Kassel) und das KÖLNER KÄSTCHENTREFFEN , die alle eine sehr
eigenständige Form des Papier- bzw. Objekttheaters im Papiertheaterformat
entwickelt haben und diese öffentlich vorführen.
Auch ist es so, daß
Papiertheaterspieler, welche sich mit den traditionellen Formen beschäftigen,
sich schon modernster Bühnentechnik, was z.B. das Licht, Musik und Aufzüge
betrifft, bedienen. Kaum gibt es noch Papiertheaterspieler, welche bei
Kerzenlicht spielen und über eine Klavierbegleitung verfügen. Die Verwendung
der modernen Technik ist auch bei den traditionellen Papiertheaterspielern
selbstverständlich geworden.
Einfluss vom Objekttheater
Ich hatte vor einigen
Jahren das Glück Vorstellungen der Objektkünstlern des KÖLNER KÄSTCHENTREFFENS erleben
zu dürfen. Dabei habe ich den Anstoß dafür erhalten, selbst über die Produktion
eines solchen Stückes nachzudenken. Losgelöst von allen Vorbildern wollte ich eine
vollkommen eigenständige Geschichte entwickeln. Idealer Weise sollte es eine solche
ohne gesprochenes Wort sein, um sie allen Menschen ohne Sprachgrenze vorführen
zu können. Insgesamt ist dem Figurentheater das Spiel mit Objekten nicht fremd. Es gibt eine Reihe von großartigen Vertretern dieser Richtung.
Im März 2014 wurde ich von einer
Puppenspielerin bestärkt, dieser Idee nachzugehen. Eines schönen Morgens hatte
ich beim Frühstück den zündenden Funken:
Bilder berühmter Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts zu collagieren und zu
decollagieren. Es sollte für mich ein erster Schritt auf diesem neuen Terrain
sein.
Gespräche mit dem
befreundeten zeitgenössischen Maler Helmut
Magreiter und der Kuratorin des Kunststauhauses von Daniel Spörri, Frau
Barbara Räderscheidt über das von mir erarbeitete Konzept, wiesen dann für mich
in die richtige Richtung, um mit den wirklichen Arbeiten zu beginnen.
Ziemlich zeitgleich
entdeckte ich, bei der letzten Renovierung des Bühnenlichtes, durch Zufall die
Möglichkeit UV-Licht sehr einfach zu
montieren. Diese Entdeckung war ein weiterer wichtiger Schritt für die
Entwicklung meines neuen Stückes. Plötzlich konnte ich auch daran denken, Mittel des Schwarzen Theaters
einzusetzen. Es folgte nun sehr aufregende 12 Monate, in welchen ich fast
täglich damit beschäftigt war, an diesem Projekt zu arbeiten.
imagination entsteht
einige Bestandteile des Geschehens |
Am Beispiel des Werkes von
René Magritte DER MAN MIT DEM HUT möchte ich meine Ideen aufzeigen, was ich mit
den Bildern machen wollte und wie ich die technische Umsetzung anging. Die Idee
René Magrittes war, den Betrachter darauf aufmerksam zu machen, daß alles
anders gesehen werden kann, als wir es gewohnt sind zu sehen. So zeigt das Bild
DER MANN MIT DEM HUT eine männliche Figur im grauen Anzug, weißem Hemd und
roter Krawatte. Dieser Mann trägt auf dem Kopf einen Bowler (in Wien sagt man
dazu Melone). Die Figur steht vor einem altrosa Hintergrund. Aber, ganz im
gewohnten Stil ist diese Abbildung nicht, denn Rumpf, Gesicht und Hut sind
separiert und nicht als ein Wesen dargestellt.
Eine Geschichte entsteht
Dieses Bild war für meinen
Anfang wie geschaffen, denn ich konnte es herrlich einfach manipulieren. Noch dazu ist es ein sehr
grafisches Bild, welches man sehr leicht „zerlegen“ kann. Die Grundidee war
Kopf, Hut und Rumpf auf die Bühne „schweben“ zu lassen und erst dort zum
gewohnten Bild zusammenzusetzen. Aus dieser Grundidee ist folgende „Geschichte“
geworden:
Aus dem Nichts kommend, gleiten zwei Bestandteile aus dem bekannten Werk von
Magritte vor unseren Augen vorüber. Eine weiße Taube führt eine rotierende eine
schwarze Figur über die Bühne, während auf der anderen Seite ein Bowler
erkennbar wird, welcher in der Mitte den „Mann mit dem Hut“ als Kontur vor
einer Magritte Landschaft mit dem Mond, zeigt.
Der Mann mit dem Hut als Umrißfigur |
Als beide Teile
nicht mehr sichtbar sind, wird langsam der Umriß eines Bowlers mit altrosa Hintergrund sichtbar. In diese
Ausnehmung schweben unerwartet zunächst der Kopf, dann der Hut und zum Schluß
der Körper aus dem bekannten Bild. Diese „Bestandteile“ verharren zunächst
dezentral um erst nach einer kurzen Zeit die tatsächliche Figur zu bilden. Nun
erst kann der Betrachter an das berühmte Werk von René Magritte denken. Doch
bald schon wird dieser Eindruck, diese Imagination wieder dekonstruiert. Die
Teile verschwinden wieder, ebenso der altrosa Bowler. Schon glaubt der
Betrachter, das Ende dieses Traumbildes
erlebt zu haben. Doch es kommt anders. Nach dem Verschwinden des Bowlers
erkennt der Betrachter die Figur des „Mannes mit dem Hut“ vor dem
Bühnenhintergrund. Doch auch diese Figur ist Imagination, den allmählich wird
sie vom schwarz der Bühne verschluckt und ist nicht mehr sichtbar. Als Zeichen,
daß wir es hier mit einem Werk nach Magritte zu tun gehabt haben, fliegt die
leuchtend weiße Taube von links nach rechts an uns vorüber.
Dies bedeutet die
Herstellung folgenden Bühnenbedarfes:
·
Ein absenkbares
Bühnenbilde, in welcher die Schiebemechanik für den Zuschauer unsichtbar bleibt
·
Die drei
Einzelteile der Figur: Hut, Kopf und Rumpf
·
Eine rollende
Figur mit einer weißen Taube
·
Ein Bowler mit
blauen „Magritte-Nachthimmel“
·
Ein drehbare
Figur „Der Mann mit dem Hut“
·
Ein weiße Taube
Die größte Herausforderung
dabei war für mich die Schiebemechanik, um Hut, Kopf und Rumpf auf die Bühne zu
bringen, bzw. wieder entschweben zu lassen. Diese erfordert Gelenke
in der Dimension von 2 – 3 mm.
Zunächst zeichnete ich die
Figur vom Originalbild ab, um sie dann für meine Zwecke zu adaptieren. Danach
colorierte ich die Figur und den Hintergrund etwa in der Art, wie es Magritte
gemacht hatte.
Die Schiebemechanik |
Auf diese Weise erarbeite
ich 7 Episoden für dieses Stück, unter Bearbeitung von Werken von Daniel
Spörri, Helmut Magreiter, René Magritte, Niki de St.Phalle, Piet Mondrian und A. Katz.
Dazu kam noch eine Eröffnungs- und ein
Schlußbild, sowie eine „verbindende Figur nach dem Vorbild von Oskars
Schlemmers Triadischen Ballett.
Die Musik als wesentlicher Motor dieses Stückes
Gerne nenne ich imagination
ein absurdes, oder auch surreales Stück. Es werden Abkäufe dargestellt, die
bloß in der Phantasie möglich sind. Diese Abläufe gestatten es dem Zuschauer
aber auch seiner Phantasie vollkommen freien Lauf zu lassen.
Schon zu Beginn der
Produktion fand ich den Kontakt zum zeitgenössischen Komponisten Karlheinz
Essl, der an der Wiener Musikuniversität experimentelle und elektronische
Musikkomposition lehrt. Essl war von meinem Konzept begeistert und nahm einen
Kompositionsauftrag für dieses Stück von mir an. Essl bat sich Videos von den
fertigen Episoden aus, um in Echtzeit die Musikstücke dafür zu komponieren.
Essls „Tonwerk“ zu diesen
surrealen bewegten Bildern wirkt wie ein Zauber, der die Aufmerksamkeit des
Zuschauers voll in den Bann zieht. Jeder von uns beiden hat für sich nach seiner Phantasie gearbeitet und doch hat
die Zusammenfügung beider Komponenten ein ganzes ergeben, wie es besser hätte
nicht werden können. Diese elektronische
Musik ist zum Motor dieser Handlungen geworden. Es ist die Klammer zwischen der
biedermeierlichen „Technik aus Karton,
Sperrholz, Papier und Farbe“ und der auf dem Computer komponierten und
generierten Musik. Vielleicht steckt darin der Reiz. Es ist ein Experiment.
Hier gibt es enen ersten Trailer auf der website von Karlheinz Essl zu sehen: http://www.essl.at/works/imagination.html
Schwarzes Theater
Alle Macht den Nanas |
Wer kennt nicht das
„Schwarze Theater“ aus Prag. Das ist eine Quelle der Phantasie schlechthin. Auf
einer vollkommen schwarz ausgekleideten Bühne führen schwarz gekleidete
Puppenspieler Objekt und Figuren in Leuchtfarben. Alles wird mit UV-Licht
„beleuchtet“, so daß für den Zuschauer
ein andauernd schwebender Eindruck entsteht. Nicht ganz so vollkommen habe ich imagniation
eingerichtet. Die Bühne ist vollkommen schwarz ausgekleidet und die meisten
Figuren und Objekte sind aus Leuchtkarton, bzw. sind mit Leuchtfarben
ausgestattet. Dadurch werden manche Abläufe erst wirklich interessant und
surreal.
imagination wird im
Kunststauraum von Daniel Spörri uraufgeführt
Traditionelles Papiertheater wird weiterhin gepflegt
Das wird Rotkäppchen |
Dieser Abstecher in die
Moderne ist in keiner Weise eine Abkehr von der von mir gepflegten Form des
Papiertheaters. Beide Formen sollen gleichberechtigt nebeneinander bestehen und
ihr Zielpublikum ansprechen. Nicht umsonst habe ich in den 13 Jahren meines „Papiertheaterlebens“
schon an die 490 Vorstellungen im In- und Ausland gespielt und sehr vielen
Zusehern, Kinder und Erwachsene, große
Freude bereitet. Eine ganze Reihe von Stammgästen besuchen immer wieder meine Vorstellugen und
warten schon auf die neuen Stücke. imagination wird den Kreis meines
Publikums erweitern.
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