Der Ring des Nibelungen in
102 Minuten
Ein Versuch für das Papiertheater
Ulrich
Chmel, Wien
Eine meiner allerersten Begegnungen mit dem Medium
Papiertheater war eine Vorstellung des
Stückes DER RING DES NIBELUNGEN IN 110 Minuten.
I-Piccoli Theaterwerkstatt
Gerhard Weiss, aus München, gastierte damit vor ca. 25 - 26 Jahren,
anlässlich der Wiener Festwochen im SCHAUSPIELHAUS, in der Wiener
Porzellangasse. Das war ein Eindruck!!!
Unglaublich. Vielleicht hat mich dieses Erlebnis vor etwa 2 Jahren dazu
inspiriert, mich selbst an ein solches Experiment heranzuwagen. In der Zwischenzeit habe ich dieses
unglaublich schöne Werk von Richard Wagner einige Male erlebt, in Bayreuth, in
der Wiener Staatsoper und bei den Mistelbacher Figurentheatertagen - als
Handpuppenstück. Insgesamt habe ich " den Ring" so an die 7 Mal in
den verschiedenen Versionen erlebt und verinnerlicht.
Die Verkürzung ist die
schwierigste Aufgabe
Es ist meine Auffassung, dass Stücke für das
Papiertheater der Größe der Bühne anzupassen sind. Das längste Stück aus meinem Spielplan (Die
schaurig schöne Geschichte vom Gevatter Tod) dauert 50 Minuten. 110 Minuten (reine Spielzeit) für insgesamt 4 Opern (Rheingold, Walküre,
Siegfried und Götterdämmerung) erscheinen daher das Maximum, welches man
Besuchern im Papiertheater abverlangen kann. Aus
diesem Grunde habe ich als Arbeitstitel für mein "Monsterwerk" DER
RING DES NIBELUNGEN IN 102 MINUTEN gewählt. Wohl auch als Mittel der
Selbstdisziplin.
Meine Herangehensweise
Da ich ein sehr optisch ausgerichteter Mensch bin,
beginne ich eigentlich jedes Stück mit der Planung des Bühnenbildes.
Wenngleich mein Bühnchen über einen
Schnürboden verfügt, ist die Anzahl der Bühnenbilder sehr begrenzt. Ich habe als
erstes ein Storyboard gezeichnet, um einen ersten ungefähren
Überblick über den Bedarf zu erhalten.
Es braucht für das Stück folgend Bühnenbilder/Kulissen
(Mindestausstattung)
· am Rheingrund
· Bergeshöhen
· Mimes Schmiede
· Hundings Hütte
· eine wilde Schlucht
· die Neidhöhle
· eine Halle
Schon beim Zeichnen des Storyboards ist die Idee entstanden, einfache, scherenschnittartige
Bühnenbilder/Kulissen herzustellen und die Farbe mittels entsprechender
Beleuchtung eines weißen Bühnenhintergrundes
zu illusionieren. Zwei Gründe
dafür: erstens, einfache Bühnenbilder/Kulissen sind platzsparend (am
Schnürboden ist alles dicht gedrängt!) und zweitens, ergibt dunkel vor
hell/bunt einen tollen Kontrast, der sehr einprägsam ist. Dies war der
Grundstein für die weitere Arbeit, die sich nun schon an die zwei Jahre hinzieht.
Alles deutet in diesem Stadium der Projektentwicklung auf eine sehr
moderne, "schnörkellose"
Inszenierung hin. Geistiger Hintergrund
war naturgemäß die Inszenierung des absurden Stückes "Imagination".
Die Personen der Handlung
Die Tetralogie "Ring" ist wohl ein besonders
umfangreiches Werk, es gibt aber vergleichsweise wenig darstellende Figuren. Trotzdem sollten
sich diese Figurinen einfache, reich an Kontrasten seiende, Bühnenbild gut
einfügen.
Die
Frage, welche bei jeder Ring-Inszenierung auf der "wirklichen Oper"
gestellt und mit großer Emotion geführt wird, ist, wie stellt man einen Gott
auf der Bühne dar. Es gibt immer einen Teil der Zuschauer, der an der
Kostümierung Wotans Kritik übt. Ich habe
darauf hin immer die Frage gestellt: "Wer hat denn schon einmal einen Gott
gesehen und weiß, wie er aussieht?". Moses hat behauptet, er habe Jahwe
auf dem Berg Sinai gesehen. Es ist aber keine Beschreibung überliefert. Zeus
hat sich jedes Mal verwandelt, wenn er mit einer Menschenfrau zusammen war. Ja,
von Wotan hört man sogar in dieser Oper, er habe sich als "Wälsung" (Werwolf)
getarnt, als er die Zwillinge Siegmund und Sieglinde gezeugt hat. Niemand kann
also sagen, wie Wotan ausgesehen habe. Also auch nicht so, wie er zu Zeit Richard
Wagners auf die Bühne gestellt wurde. Gut. Also dacht ich, ich mache die Götter
in dieser Oper durchsichtig. Das geht aber auch nicht so gut, man sollte doch
zumindest eine Ahnung haben, wer und wo sich gerade auf der Bühne befindet. Letzten Endes verwendete ich für Wotan, Fricka
, Freya und Loge einen milchglasartigen Kunststoff, der durch das
Bühnenrücklicht "durchscheinend" wirkt. Auf der Rückseite der Figuren brachte ich
eine leichte schwarz/weiß Zeichnung an, die andeutend die dargestellte Figur
erkennen lässt. Bei Wotan ist ein roter Gürtel zu erkennen. Bei all seinen
vielen Kindern, die im Stück vorkommen, wird ebenfalls ein roter Gürtel das
Signal der Familienzugehörigkeit sein.
Die Riesen
Fafner und Fasolt
Es
ist ja in Wirklichkeit fast unmöglich auf der wirklichen Bühne Richard Wagners
RING in allen von ihm geforderten Details darzustellen. Viel leichter geht dies
auf der Figurentheater- oder Papiertheaterbühne. Die Riesen sollten im
Vergleich zu normaler Menschengröße wirklich groß
erscheinen. In
Anlehnung an den Stil des Henri Matisse entwarf ich zwei Riesenfiguren, die
tatsächlich alle überragen. Auch der Feuergott Loge bekam eine
(durchscheinende) Gestalt a la Matisse.
Die
Schwarzalben oder auch Nibelungen
Alberich,
der Gegenspieler Wotans und sein Bruder Mime werden immer wieder als krötenartige Zwerge (die Rheintöchter
bezeichnen Alberich als "schwarzer, schwieliger Schwefelzwerg")
genannt. So war also die Gestaltung dieser Figuren - die sehr märchenhaft klingt
- doch einfach zu realisieren.
Wie bei Wotan der rote Gürtel, sind bei Alberich die
Farbe schwarz/gelb wichtig. Sie kommen wieder bei Alberichs spät gezeugten Sohn
Hagen als Zeichen der Blutsverwandtschaft ins Spiel.
Die
Rheintöchter
Bei der Uraufführung, so habe ich die Bühnenbild-Modelle
, in Bayreuth gesehen, wurden die Darstellerinnen der Rheintöchter auf
bewegliche Drahtgestelle gebunden, die während diese armen Frauen singen mussten,
hin und her bewegt wurde.
Für diese Eingangsszene hatte ich den Einfall einer
Schattenbühne. Die Figurengruppe der
Rheintöchter wird mit einem Führungsstab an diese Milchglasscheibe gedrückt und
hin und her bewegt. Und schon schwimmen sie.
Siegfried und
alle anderen Figuren
Die übrigen Figuren für den RING werden wohl alle sehr
menschlich gehalten. Doch wird ihre Darstellung schnörkellos und einfach sein.
Dies erleichtert auch ungemein die Wahrnehmung selbst in den hinteren Reihen.
Hier kann ich noch keine Bilder liefern, da ich beim Zeichnen noch in der
Entwicklungsphase bin.
Technische
Lösungen
Zumindest zwei Vorgänge kann ich hier erläutern. Zunächst
ein Bild vom "Feuerzauber".
Die Figur Brünnhildes ist an der
Rückseite des Bühnenbildes fix montiert und
muss zum richtigen Zeitpunkt die liegende Brünnhilde.
Als zweites Beispiel möchte ich die Szene beschreiben, in
welcher Siegfried den Drachen Fafner tötet. Die Höhle stelle ich als kreisrunde
Öffnung in dieser Schwarzen Wand dar. Die Bühnenrückwand wird grün beleuchtet.
In diese kreisrunde Öffnung rollt der Drache, der in sich zusammengerollt, mit
vorstehendem Haupt dargestellt wird. Sobald Siegfried den Drachen getötet hat
rollt die Figur weiter und von oben wird die Öffnung mit rot (Symbol für das Drachenblut) gefüllt.
Noch viel
Arbeit bis zur Uraufführung
Da nun die Bühnenbilder/Kulissen ziemlich fertiggestellt
sind, kann ich mich mit Nachdruck der Textverkürzung und der Auswahl der
besonders wichtigen Musikbeispiele widmen. Wie bei meinen bisherigen
"Wagner-Opern" LOHENGRIN FÜR EILIGE" und
"TANNHÄUSER KURZ UND GUT" werden Musikteile, Gesangpartien und
erklärender Text so zusammen zu fügen sein, dass das ganze eine kontinuierliche
und selbsterklärende Handlung ergibt. Das Projekt ist im Laufen und soll 2020
abgeschlossen und reif für eine Uraufführung sein. 102 Minuten sind ja ca. 1
3/4 Stunden Handlung. Da dies für ein
Papiertheaterstück wirklich "überlang" ist, wird wahrscheinlich eine
Erfrischungspause eingeräumt werden.