Dienstag, 22. Januar 2013


 

Papiertheater im 21. Jahrhundert:
Eine Aufführung von  Ulrich Chmel
„Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“

                                                                                                       
nach Hans Christian Andersen  
                                                                                                                             am 9. November 2012 um 16:00
                                                                                                                             im  Bezirksmuseum Wieden
                                                                                                                             Spielzeit 35 min.

von Inge Mansky bac.

Als  „kleine Hausübung“  – eine sachliche Figurentheater-Aufführungsanalyse –Welche sie im Rahmen ihres Studiums der Theatergeschichte zur Übung schreiben musste


Wie klein die Theater-Welt sein kann.
Das Papiertheater  – die Bühnenwelt en miniature!
Als Zimmer- und Familientheater, als Tischtheater, war das Papiertheater ein Theaterphänomen des 19. Jahrhunderts (und weitgehend nur des 19. Jahrhunderts) und für Aufstellungen und Aufführungen im Wohnbereich gedacht. Dieses „allerzierlichste Theater“,[1] das „bescheidenste aller Puppentheater“[2],  wurde in Form von Ausschneidebögen, zunächst vorwiegend für ein erwachsenes Publikum, in Massenauflage produziert. Das Repertoire der großen Theaterhäuser wurde übernommen und die Szenerien, Schauspieler, Kostüme wurden gleich nach der Premiere detailgetreu nachgezeichnet.
Erst in den späteren Jahrzehnten des Jahrhunderts wurde aus dem Papiertheater explizit auch ein Kindertheater:
Märchenstoffe wurden in das Programm der Verlage  aufgenommen und die Dramentexte in den  beiliegenden Heften zum besseren Verständnis und Nachspielen auf (vermeintlich) kindgerechtes Niveau gebracht. Diese Texte wurden mit „Regiewinken“ für die „kleinen Principale“ versehen, die sich allerdings mitunter haarsträubend lesen: „Tanzende Flammen stellt ihr folgendermaßen her: Ihr bindet an das Ende eines längeren Stückes Draht kleine Kügelchen von Watte, taucht dieselben in Spiritus  und zündet diesen an. Dann laßt ihr diese Flammen von oben  herab auf der Bühne tanzen.“[3]

Weniger gefährlich geht es im November 2012 bei der Papiertheater-Aufführung „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“ des freien Papiertheater-Künstlers Ulrich Chmel zu. Sie findet nicht im privaten Rahmen, sondern öffentlich, in einem Raum des  Bezirksmuseums Wieden statt.


Foto: U.Chmel

Das angekündigte Stück „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“  nach Hans Christian Andersen zielt auf ein kindliches Publikum:  „ab 4 Jahren“. Dieses  ist allerdings in der Minderzahl – lediglich 5 der ca 30 BesucherInnen sind Kinder. Die Vorstellung ist voll besetzt wie fast alle Aufführungen von Ulrich Chmel. Der Eintritt ist frei, etwaige kleine Spenden sind willkommen.

Der Raum entspricht mit ungefähr 50m2 durchaus nur der Größe des großbürgerlichen Wohnzimmers von einst. Einige wenige Sitzreihen sind vorbereitet, an der Stirnseite des Raumes ist ein dekorierter  Guckkastenbühnen-Aufbau zu sehen, nicht größer als ein moderner Fernseh-Apparat. Um dieses  Théâtre en miniature  auch aus einer Entfernung von einigen Metern im Detail verfolgen zu können, werden – eine großartige Idee! – Theatergucker verteilt.
Der Spielleiter begrüßt vor der Bühne stehend persönlich die BesucherInnen, gibt einstimmende Erklärungen zum Stück und verspricht allen Interessierten nach der Vorstellung Einblick in das „back stage“ Geschehen und eine Erklärung der Bühnentechnik. Unsichtbar während der ganzen Aufführung, wird es an ihm liegen, die flachen kleinen Figuren glaubhaft zum Leben zu erwecken. Das ist nicht einfach.

Innerhalb des Angebots von Figurentheateraufführungen sind Papiertheater-Vorstellungen eine Rarität. Denn das Medium Papiertheater erscheint undankbar, weil die Flächigkeit der Papierfiguren im Vergleich zur Körperhaftigkeit plastischer Figuren den Aufbau von Illusionen erschwert.
Keineswegs schwebend und „antigrav“[4], sondern in nur einer Haltung fixiert, sind die Papierfiguren an einer Boden-Schiene montiert und nur schiebend in einfachste Bewegungen (seitlich vor und zurück) versetzbar. So bleibt das Bewegungsspektrum zweidimensional und die Fortbewegung der Figuren wirkt vergleichsweise mechanisch. Ein Erspielen des Bühnenraumes ist nur beschränkt möglich.


Ulrich Chmels Erfahrung hinsichtlich der ZuschauerInnen-Rezeption bestätigt ein solches Manko der Papierfiguren nicht. Er meint, dass heutiges Papiertheater ein Publikum „bespielt“, welches nicht regelmäßig wiederkommen würde, ginge nicht ein lebendiger Zauber von der besuchten Bühne aus. [5]
Chmels Theaterbegriff entspricht dem des 19. Jahrhunderts hinsichtlich der visuell realistischen und menschenähnlichen Ausgestaltung der Figuren sowie des Bühnentypus (Rahmen, Seitenteile, Prospekt). Somit folgt Ulrich Chmel  in der konventionellen Gestaltung der Bühne und der Figuren, welche er selbst entwirft, bemalt und ausschneidet, ganz dem historischen Vorbild.[6]
Doch Ulrich Chmel erzählt, dass an ihn  nach seinen Vorstellungen gerade deshalb oft Dankesworte herangebracht wurden: „Die Menschen waren dankbar, weil sie nach vielen Jahren wieder eine romantische (am 19. Jahrhundert orientierte) Inszenierung erleben durften.“[7]  Die erste Reaktion nach dem Öffnen des Vorhangs ist bei vielen Vorführungen (so auch bei dieser) demgemäß  ein allgemein gehauchtes „Ohh“ und „Jööö“ angesichts der leuchtenden märchenhaften Bühne.[8]
  Vielleicht sind es seine Fähigkeiten als Theatermacher/Spielleiter, durch die Ulrich Chmel sein  „Schwefelhölzchen-Mädchen“-Publikum optisch und akustisch „verzaubert“:
Foto: Alexandra Hager
Zu sehen und erleben sind detailfreudig gezeichnete, hübsche Bühnenbilder (Nachdrucke des dänischen Papiertheaterverlages „Priors Dukketeatre, aus dem 19. Jahrhundert)[C1] , gut einstudierte Lichtregie und Beleuchtungseffekte, Musikeinspielungen, Geräuschkulissen, Ausnutzen der kleinsten Bewegungsmöglichkeiten, Versatzstücke und allerhand wunderbare Bühnenzaubereien,  wie das Aufleuchten und Erlöschen der winzigen Schwefelhölzer entsprechend dem Fortgang der Erzählung; oder der glitzernde Schnee, der langsam auf den Stadtplatz und das arme Mädchen fällt.
Grafik und Foto: U.Chmel
 
Das von Ulrich Chmel gezeichnete Schlussbild ist ein zarter Versuch, die zuschauenden Kinder (und natürlich auch die Erwachsenen) zu trösten: Der Tod des Mädchens durch Erfrieren wird nicht ausgespart, aber durch eine starke bildliche Vision des Mädchens von seiner verstorbenen Großmutter, die ihre Enkelin in ihrer warmen, heimeligen blau-weißen Küche mit Liebe und offenen Armen willkommen heißt, weich verschleiert.
Es ist vor allem die modulationsfähige Stimme, die, ohne übertrieben zu deklamieren, den Flach-figuren trotz ihrer nur minimal möglichen Bewegungen Leben einhaucht, und sie für das Publikum zu glaubhaften Handlungsträgern animiert.

Aus Andersens klassischem Märchentext  „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“  entwickelt Chmel seinen Text, den er, wie er sagt, „lustvoll“ mit den von ihm erarbeiteten künstlerischen Bühnenbildlösungen verbindet. Er „werkt an einem Stück ungefähr ein Jahr und länger“, bis er „es aufführen und damit Emotionen beim Publikum erzeugen kann.“[9] 
„Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“ wird als  ernstes Stück  ernst  gespielt. Der Stoff wird textgetreu, ohne  Ironie und Verfremdung, kontrolliert nacherzählt.
Der Spielleiter erliegt nicht der Versuchung, durch Übertreibung des Mädchen-Schicksals das Publikum emotional zu stark zu lenken, und vermeidet auch eine vielleicht naheliegende platte Psychologisierung der Charaktere und soziale Kategorisierungen wie „die bösen Reichen“, „die gedankenlosen Vergnügungssucher“.

Erfreulicherweise  gibt es auch  keinen moralisch-ideologischen Fingerzeig auf die aktuell reale Existenz von armen Kindern, Obdachlosen und Flüchtlingen. Keine Unterbrechung, kein Kommentar oder Appell von Ulrich Chmel unterbricht oder kontaminiert die Nacherzählung!
Dies steht im Gegensatz zum historischen Pendant des Papiertheaters für Kinder mit seinen,  dem Zeitgeist des 19. Jahrhunderts geschuldeten erzieherischen Absichten: „Mehr als ein Stück schließt mit einem religiösen Gedanken, einem Gelübde, einer Mahnung oder einer Lebensweisheit. […] und die Idee der Belohnung kommt hinzu.“ Zum Beispiel: „Wer Tugend übt und Frömmigkeit, Für den liegt hoher Lohn bereit.“[10] oder (nachdem Hans durch Knecht Rupprecht eine Freistelle auf der Knabenschule erhält) „Ei! jetzt ist mein liebster Wunsch erfüllt. Nach Herzenslust kann ich nun lernen und studieren und hoffe, dereinst ein brauchbarer Mann zu werden.“[11]
Der Ablauf der Aufführung ist professionell. Es kommt zu keinen technischen Missgeschicken.
Das Publikum spürt die Energie, die von der Bühne kommt und offensichtlich treffen sich die Erwartungen des erwachsenen  Publikums an diese Vorführung mit den Intentionen des Spielleiters. Die wenigen Kinder an diesem Nachmittag sitzen zu isoliert und verhalten sich  zu ruhig, um aufgrund ihrer Äußerungen interpretiert werden zu können. So beweisen die ZuschauerInnen mit ihren Reaktionen und dem Schlussapplaus, dass sie, sanft beglückt[12] und ohne jede Verstörung, ihrer Erinnerung an das bekannte Märchen versichert wurden, und sich bereitwillig auf die angenehmen visuellen und akustischen Illusionierungen  eingelassen haben.
Abschließend stellt sich die generelle Frage nach dem Befinden des Papiertheaters in der Theaterwelt des 21. Jahrhunderts.

Ulrich Chmel spricht von einer aktuellen Formenvielfalt, von der Regellosigkeit  und von unterschiedlichsten künstlerischen Konzepten  in diesem Bereich; und er beschreibt  die Bandbreite der zeitgenössischen Szene der internationalen PapiertheaterspielerInnen – schöner kann man es nicht sagen:


 „Die Frauen und Männer, die in Europa Papiertheater spielen, haben jede und jeder für sich eine eigene Art und Spielweise entwickelt, um ihre Zuschauer in das Reich der Phantasie zu entführen. Jene spielen eisern nach der „Papiertheater-Tradition“, in dem sie ausschneiden was vorhanden ist und den Text lesen der dazugehört. Punkt! Da gibt es auch welche, die absurdes zeitgenössisches Theater mit dem Papiertheater hinreißend präsentieren. Es gibt auch jene, die auf die Technikkarte und auf perferkte Mitarbeiter (Mitspieler, Techniker, Toningenieure, professionelle Sprecher etc.) setzen. Es gibt auch welche, die mit den kleinsten Bühnchen große Wirkung erzielen. Es gibt welche, die improvisierend arbeiten. Es gibt welche, die selbst die Figuren und Bühnenbilder zeichnen. Es gibt welche, die die Stücke selbst schreiben. Es gibt welche, die alles allein machen und es gibt welche, die in großen Teams arbeiten. Ich glaube, wenn‘s circa 30 Menschen in Europa sind, die Papiertheater als Mittel des Figurentheaters und der Darstellung vor dem Publikum benutzen, werden es circa ebenso viele unterschiedliche Varianten sein, die hier zu  Einsatz kommen.“[13]


Es wäre spannend, einmal auszuschwärmen und diese heutigen Papiertheaterbühnen zu besuchen.


[1] Purschke, Hans R. (Hg.),  Das allerzierlichste Theater, München: Verlag Heimeran 1968. (Titel des Buches).
[2] Purschke, Vorwort. In: Das allerzierlichste Theater,  S. 7.
[3]  Siewert, Ernst, Doktor Faust. Ein Zauberstück in 4 Akten, Schreibers Kinder-Theater, 6. Heft,  Eßlingen und München: Schreiber 1878; S. 11.
[4] Kleist, Heinrich von, „Über das Marionettentheater“,  In: Das allerzierlichste Theater, München: Verlag Heimeran, 1968; Seite 63-70
[5] Ulrich Chmel, persönliche Mitteilung
[6] Der englische Papiertheater- Spezialist Georg Speight schreibt in seinem Buch “Juvenile Drama. The History of the English Toy Theatre”  (Orig. 1947): „But the Toy theatre was a very conservative theatre and it refused to move with the times; it was born in an age of melodrama and pantomime, of painted flats and side wings, and it would have nothing to do with any modern movements on stage. […] But though the theatre changed, the Toy Theatre never did.”
[7] Ulrich Chmel, persönliche Mitteilung
[8] siehe Aussage im Filmporträt: Ulrich Chmel Papiertheater  – Im Palast des großen Zauberers. 2011
[9]   ebd.
[10] Pflüger, Kurt / Helmut Herbst, Schreibers Kindertheater, Pinneberg: Verlag Renate Raecke 1986;  S. 12.
[11] Siewert, Ernst, Knecht Rupprecht. Ein Weihnachtsmärchen in 5 Akten, Schreibers Kinder-Theater, Eßlingen und München: Schreiber 1889; Schlussszene.
[12] Werner Knödgen meint, dass die Annäherung und das Gleichgewicht von Subjekt (Spieler) und Objekt (Figur) in der Aufführung vom Zuschauer als beglückend erlebt werden. siehe Knoedgen, Werner, Das Unmögliche Theater. Zur Phänomenologie des Figurentheaters, Stuttgart: Urachhaus 1990.
[13] Ulrich Chmel, persönliche Mitteilung



 [C1]Gerade bei diesem Stück verwende ich alte Nachdrucke, die ich aber leicht verändert habe. Nur das Schlussbild ist – wie Sie es erwähnen – von mir selbst gezeichnet.
 
 
Ich möchte Frau Inge Mansky sehr herzlich für die Genehmigung zur Veröffentlichung Ihres Texte danken und will dabei nicht vergessen darauf hinzuweisen, daß Frau Mansky im Rahmen ihrer Studien am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, die Arbeit DAS PAPIERTHEATER DES 19. JAHRHUNDERTS: SPIEL ODER THEATER verfaßt hat.


ERGÄNZENDE SZENENAUFNAHMEN




 

Montag, 21. Januar 2013

Wenn Cinderella und Co. auf Reisen gehen

Ein kleiner Ausflug mit dem Papiertheater

Fotos: Ulrich Chmel

"Stellt Euch einmal vor, es war eine Zeit, da gab es kein elektrisches Licht, keinen CD.Player, kein smartphone........." mit dieser Zauberformel begrüße ich jedesmal meine Gäste vor dem Papiertheaterbühnchen, um sie dann in ihrer Phantasie in jenen kleinen Biedermeiersalon zu entführen, wo alles bereit ist, mit den Papiertheater-Prinzessinnen und -Prinzen ein romantisches Märchen oder eine "Oper" mit etwas Augenzwinkern zu spielen. Dieser Biedermeiersalon ist überall dort, wo ich mit meinem Bühnchen hinkomme und die Menschen - egal welchen Alters - sich darauf freuen, in diese biedermeierliche Zauberwelt entführt zu werden. Nicht zu groß soll der Raum sein und nicht mehr als etwa 25 Zuschauer sollen vor dem Bühnchen versammelt sein.

Letzthin war es wieder soweit, als ich meine Papiertheaterbühne zu Hause zusammenpackte, ins Auto verstaute und nach Mödling fuhr, um dort im MÖP-Figurentheater, den Kindern und Erwachsenen das Märchen vom Aschenputtel in der Fassung von Charles Perrault vorzuspielen.

Das MÖP ist ideal für Papiertheater. Schon allein die Mödlinger Pfarrgasse, gleich beim alten Rathaus strahlt jene Romantik aus, die so viel Wärme und Geborgenheit in sich hat. Es gibt wenig Plätze, die ähnlich romantisch sind. Der Besucher tritt dann in dieses alte geschäftsgewölbe hinein und hat damit schon den ersten Schritt ins Märchenland der Phantasie getan. Dieser Raum hat die Strahlkraft eines Puppentheaters, in welchem die Hausherren und mit Ihnen viele in- und ausländische Gastbühnen - Figurentheater in der ganzen Bandbreite  -vom Kasperl über Objekttheater bis zum Papiertheater vorführen. In mitten von handpuppen, Märchenbüchern, Marionetten und einfachen Instrumenten, stelle ich dann meine Bühne auf um in etwa 50 Minuten spielbereit zu sein.

Eng aneinandergeschmiegt sitzen dann auf den nachn hinten ansteigenden Bänken jung und alt und folgen für etwa 40 Minuten der geschichte von Aschenputtel, Prinz Felix, der Feenkönigin, dem Baron Pompolino und den beiden Stiefschwestern.

Wenn dann zum guten Schluß Aschenputtel und Prinz Felix über die Bühne tanzen, die Feenkönigin den beiden ihren Segen gegeben hat und der Vorhang die Szene wieder verbirgt, dann, ja danndürfen zuerst die Zuschauer aus der ersten Reihe, dann die aus der zweiten Reihe und so weiter, zu mir hinter die Bühne kommen und ausprobieren, wie das denn mit der Tanzmaschine, der Verwandlung der Feenkönigin und naturgemäß wie denn die Nebelmaschine und der Blitz funktionieren.

Ich liebe es , mit meinem Bühnchen zu den Menschen zu kommen, um da und dort das Theater aufzubauen und die Zuschauer dann in das Reich der Illusion zu holen. Wo auch imer ich schon mit meinem klappbaren Bühnchen gewesen bin, ich habe dabei immer mein Herz verschenkt und dadurch zauberhafte Menschen angetroffen, die bereit waren, sich der Romantik dieses kleinen Figurentheaters hinzugeben.


Zur Romantik des Spiels gehört für mich auch schon das Einpacken der Figuren und Bühnenbilder, das Verstauen des Bühnchens im Auto, der Transport und der Auf- und Abbau der Bühne. Es ist schön wenn jeder Handgriff sitzt und alles auf dem richtigen Platz ist, um letztlich dabei mitzuhelfen, den Zuschauern eine Illusion zu vermitteln, die eben nur Figurentheater vermitteln kann. Mit Dankbarkeit denke ich dabei jedesmal an den großartigen Tischlermeister, der diese Bühne nach meinen Ideen so ideal gebaut hat und an jenen Freund, der so quasi die Kerzenbeleuchtung in LED-Licht verzaubert hat. Beiden haben so gut und solid gearbeitet, daß nach 7 Jahren und sehr vielen Aufführungen und Reisen, noch alles sehr gut funktioniert und stabil ist.

Ebenfalls zur Romantik des Spiels gehört für mich aber schon die Produktion eines Stückes: Das Entwerfen des Konzepts, das Schreiben der Texte, das Zeichnen von Figuren, das Einkaufen von Bühnenbildnachdrucken. Wenn dann alles fertig ist und ich bei den Proben mit den Figuren mitlache und mitweine, dann, ja dann fühle ich, daß dieser bei den Vostellungen auf das Publikum überspringen kann.

Wenn dann Cinderella und Co. wieder gut nach Hause gekommen sind, habe ich ein sehr beglückendes Gefühl und freue mich schon darauf, wieder einmal "ausrücken" zu dürfen, um zum Beispiel beim Geburtstag einer 90-jährigen Dame, oder bei einem Pfarrfest spielen zu dürfen.

Sonntag, 30. September 2012

Wenn die Begeisterung überspringt

Es ist jedesmal, als wäre es das erste Mal, wenn ich für liebe Menschen ein Stück spiele. Ich habe jedesmal Lampenfieber, bin nervös, bin leidenschaftlich. Und manchmal passiert es, dass diese Leidenschaft auf einen der Zuschauer überspringt, so daß ein neuer Papiertheaterspieler kreiert wurde, der sich dann mit dem Thema so intensiv beschäftigt, dass er plötzlich auch Papiertheaterstücke schafft, die er seinen Freunden und Bekannten zum Besten gibt.

So ist dies auch vor etwa 8 Jahren geschehen, doch erst vorige Woche habe ich davon erfahren. Der Zufall hat damals eine interessierte Gruppe aus Dresden vor mein Bühnchen in Wien geführt, um sich mein Stück LOHENGRIN FÜR EILIGE - IN KNAPPEN 40 MINUTEN anzusehen. Die Begeisterung war groß, der Nachmittag (oder Abend) war überaus gemütlich und naturgemäß wurden beim Backstage nach der Vorstellung viele Fragen gestellt und alle Bühnendetails genau studiert.
Vorige Woche, kurz nach meiner Rückkehr vom Elbe Elster Puppentheaterfestival erreicht mich ein Email aus Dresden:

"Lieber Herr Chmel,
 es sind nun schon 8 Jahre, dass uns Ihre liebenswürdige Frau als Gruppe (einige Apotheker aus Dresden) durch Wien führte. Ein absoluter Höhepunkt war die Einladung zu Ihnen ins Papiertheater: Lohengrin.......
Die Begeisterung hat mich all die Jahre nicht verlassen
und ich musste es selbst probieren. Als ich 2005 in den Ruhestand ging stand fest, jetzt ist es soweit. 2007 habe ich dann eine Bühne gebaut, d.h.mehr gebastelt und die ersten Versuche in der Familie gestartet. Meine rau hat mit ausgeschnitten usw. Jetzt ist es so, dass unsere Freunde bei Besuchen, meist eine Vorstellung von mir wünschen. Ich habe mich auf's Musiktheater konzentriert und CDs, auf denen Werke in Wort und Ton vorgestellt werden in meinem Theater versucht zu gestalten.
Das Repertoire umfasst Freischütze, Peter und der Wolf, Zauberflöte, Entführung aus dem Serail, Hänsel und Gretel, Troubadour. In den Wintermonaten bin ich oft damit beschäftigt und es macht viel Freude, manchmal ist es auch ein kleiner Protest zu den jetzt gängigen Theaterinszenierungen, denn wie sagen Sie so schön in Ihrem Video: "Lohengrin, wie es sich gehört...".
Ich habe immer mal wieder auf Ihre Holmpage geschaut und bin sehr dankbar, von Ihnen solch wunderbare Anregung erhalten zu haben. 
Ich danke Ihnen, wenn Sie sich die Zeit genommen habe, diese Mail zu lesen. Es war mir seit langem ein Bedürfnis.
In der Anlage sind einige Theaterzettel (die zu veröffentlichen läßt mein Programm leider nicht zu!), wenn es Sie interessiert.
Mit freundlichen Grüßen aus Dresden, an Sie und Ihre Gattin
Ihr Udo Löscher und Frau Bettina"

Wie haben mich diese Zeilen glücklich gemacht, können sich alle vorstellen, die ebenso begeistert Papiertheater spielen, wie ich. Ich kann nur mit großer Freude nach Dresden rufen:"Willkommen im Zauberreich des Papiertheaters.  Machen Sie vielen Menschen in Dresden mit Ihren Vorstellungen ebensolche Freude, wie Sie es bei mir erlebt haben!"

Udo Löscher hat mir einige Bilder geschickt, die ich nun gerne - im Einverständnis mit dem neuen Papiertheaterfreund aus Dresden -  allen Menschen zeigen möchte.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau noch vielen schöne Produktionen und Aufführungen mit dem Zauberspiel des Papiertheaters und legen Sie ihre ganze Freude und Aufgeregtheit in die Stücke. Sie werden sehen: Der Funke der Begeisterung springt über!





 
 
 

Dienstag, 26. Juni 2012

DIE ERRETTUNG DER PRINZESSIN

Premiere mit dem Bauchladenbühnchen


Der 22. Juni 2012 wird in meine Papiertheaterchronik eingehen. Es war der Tag, an welchem mein Bachladenbühnchen Premiere hatte. Es war beim Geburtstagsfest meines Freundes im Tessin. Die Familie war auf der Terrasse versammelt. Ich war ausgerüstet mit der Bauchladenbühne, in welcher schon alle Kulissen und Figuren für das Kurzdramolett DIE ERRETTUNG DER PRINZESSIN versammelt waren. Meine Donnertrommel hatte ich dabei, erstens als Lautsprecher und zweitens zum Donnern. Dann hatte ich noch eine Maultrommel und mein Lochstreifenkurbelspielwerk bei der Hand. Bis auf die Hausfrau war niemand eingeweiht und niemand kannte auch vorher Papiertheater. Also trat ich, mit dem Kurbelspielwerk musizierend, auf die Terasse und kündigte "das erst- und einmalige Papiertheater-Dramolett DIE ERRETTUNG DER PRINZESSIN an. Alle waren nun neugierig und nachdem ich den Vorhang geöffnet hatte, begann ich mit dem Stegreiftheater. Der "Strahlende Helde" war natürlich das Geburtstagskind und die Prinzessin wurde von seiner Frau dargestellt. Ich flocht in die Handlung einige gerade erlernte Schyzerdütsch- Worte und vor allem einige markante Details aus dem Leben des Geburtstagkindes. der Drache konnte (Pyrowatte-) Feuer speien und immer vor den Worten des Drachen donnerte die Donnertrommel. Dadurch hatte ich die Lacher auf meiner Seite und die Vorstellung wurde ein voller Erfolg. Nachdem ich das Bühnchen anschließend meinem Freunde als Geschenk verehrt hatte und "dies kleine Wunderding" von allen begutachtet wurde, gab ich noch ein kleines Maultrommel-Konzert. Nichts konnte also mehr einem gemütlichen Geburtstagsessen  im Wege stehen.



So konnte ich den Begriff Papiertheater im Tessin bekanntmachen. Viele Menschen werden jetzt im Internet nach Papiertheater suchen und vielleicht interessiert sich der eine oder andere Zuschauer in Zukunft ein bißchen für diese Leidenschaft.
Für mich war es ein Umstieg von der "großen und technischen" Bühne zum einfachen Vehikel, ohne viel technischem Tamtam. Nur Begeisterung und Wortwitz waren die Treibmittel für diese Vorstellung. Got sei Dank habe ich dies Bühnchen gleich nachgebaut, so daß ich jetzt auch für mich diese Illussionskiste zur Hand habe.
Euer Ulrichderkulissenschieberauswien

Donnerstag, 7. Juni 2012

DIE BAUCHLADENBÜHNE

Ein Freund hat Geburtstag und die Frage erhob sich, was man einem Manne schenkt, der alles hat. Meine liebe Frau hatte die großartige Idee, ich soll ihm ein Papiertheaterstück widmen und zum Geschenk machen. Gesagt getan! Da ich ihn (und natürlich auch nicht die geschätzte Hausfrau an seiner Seite) aber nicht mit meiner großen Bühne belasten wollte, hatte ich die Idee, eine kleine Bühne zu bauen, die man  umschnallen kann. Die Idee einer BAUCHLADENBÜHNE war geboren. Also besorgte ich alles was man zum Bau eines solchen Bühnchens benötigt:
  • 1 Schuhschachtel (das Bühnchen sollte ja der Hausfrau zuliebe klein sein!)
  • eine ganze Menge verschiedener Holzleisten
  • Die Kopie eines Proszeniums, Figuren Kulissen etc.
  • kleine 3 Volt LED Leuchten, Batterie, Schalter etc.
  • Kaltleim, Schrauben, eine Schnur f.d. Aufhängung

Dann machte ich eine Zeichnung (siehe unten) und begann mein Werk.

Alles Zubehör von GOLDENE KUGEL
Schön langsam nahm die Sache Gestalt an und es fing an , mir flott von der Hand zu gehen. Also dachte ich in der Zwischen Zeit darüber  nach, wie man denn die LED montieren könnte und hatte den GÖTTLICHEN FUNKEN, das Proszenium auf eine Präsentationsplatte zu kleben und die Lämpchen in den Schaumstoff zu montieren.

Ein Batteriehalter war im Fundus zu finden, auch ein Schalter, den ich in die Holzversteifung, die ich rund um die Schuhschachtel geklebt und verschraubt hatte, einfräste.
Holzleisten im Bauhaus
Die Frage wie man eine Musik zur Vorstellung spielen kann wurde durch ein aufgeschraubtes kleines Kammspielwerk gelöst. Ja selbst der Drache bekam in Maul einen Glühdraht, der - bei Bedarf das FEUER SPEIEN läßt. Für die Aufhängung bohrte ich 4 sehr schöne 3 cm Messingschrauben durch die Versteifung  und schloß diese mit einer kleinen Messingkugel ab. Darüber band ich eine wunderschöne stabile Schnur, die ich mir teils um den Hals und teils um den Bauch binde. Daher bekam das Bühnchen den Namen BAUCHLADENBÜHNE.  Das Bühnchen ist mir so gut von der Hand gegangen und ist so hübsch geworden, dass ich beschloß, mir ein zweites solches Bühnchen für den eigenen Gebrauch zu bauen, da das eine Bühnchen ja als Geburtstagsgeschenk bei meinem Freunde verbleibt.
Und so sieht das Bauchladenbühnchen, und ich, jetzt aus:
Foto: Inge Mansky

Foto: Inge Mansky

Die Figuren kann man (auch frau) auf Schaschlikspiesschen kleben und von oben spielen oder man montiert die Figur auf einen langen Kartonstreifen (2 mm Stärke) und spielt seitlich! Wies beliebt.
Dann schrieb ich nun noch ein kleines "Stückchen" DIE ERRETTUNG DER PRINZESSIN und das Geburtstagsgeschenk war fertig.
Wer's nachbauen möchte, dem empfehle ich, sich einige Zeit zu nehmen, vor allem aber eine geklebte Schuhschachtel - nicht gefaltet (WICHTIG). Die Kammspielwerke bekommt man am bestes in den Museenshops.   Gutes Gelingen wünscht
Ulrichderkulissenschieber aus Wien

Montag, 30. April 2012


Leben und Werk




Zum Start dieses Blogs möchte ich mich einmal allen vorstellen.

Die Zeit des Papiertheaterspieles begann für mich im Jahr 2002, nach Beendigung meiner Berufslaufbahn in der Wirtschaftskammer Österreich wo ich  als Fachverbandsgeschäftsführer tätig war.

Meine erste Begegnung mit dem Papiertheater fand im Jahre 1980 statt, als er in der Galerie Nebehay eine barocke Guckkastenbühne gesehen hatte. Eine Begegnung mit Dr. Herbert Zwiauer, insbesondere bei der zauberhaften Papiertheater-Ausstellung  im Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien legte den Grundstein für das weitere Interesse an diesem  biedermeierlichen Medium.

Der Erwerb eines Pollock Neptuntheatres sowie des Pollock-Heftchens Cinderella waren der Beginn einer langjährigen stetigen Begeisterung für dieses Spiel mit gedruckten Figuren und Bühnenbildern. Mein Freund, Gerold Ott, der langjährige Sekretär der UNIMA-Austria, förderte die Zuwendung zum Papiertheater durch Beschaffung verschiedener Unterlagen, so z.B das Büchlein „Das Kindertheater“ von Hugo Elm.

Nach anfänglichen Versuchen mit einem Weihnachtsspiel und einer Version des  STRUWWELPETERS startete ich  meine Papiertheaterkarriere mit dem Stück Lohengrin für Eilige in knappen 40 Minuten. Dabei zeichnete ich alle Figuren und Bühnenbilder selbst.

Dabei kam mir meine jahrzehntelange Beschäftigung mit der  Karikatur sehr zu gute. Ich zeichnete viele Jahre für die Neue Illustrierte Wochenschau die politische Karikatur, illustrierte Bücher und Broschüren wie z.B. Konflikte, der praktische Ratgeber zur Konfliktlösung von Gerhard Scheibel, Geschichten von Blumen und Kräutern, von Miriam Wiegele, Liebe ist …. von Enrique Grabl und Verwaltungsreform von innen, von Stephan Schwarzer. Ebenso erschienen meine Karikaturen in Fachzeitschriften wie Österreichische Trafikantenzeitung und Filterlos.

Mit meinem ständig wachsenden Repertoire, welches die Stücke: „Lohengrin für Eilige – in knappen 40 Minuten“, „Faust in Kürze – mit Goethe bestreut“, „Tannhäuser kurz und gut“, „Cinderella“, „Der gestiefelte Kater“,“Froschkönig“ , „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“, „Das Weihnachtsspiel“, „JESSASMARIAUNDJOSEF“ sowie „Duie Madonna vom Schnee“ gelang es mir vor allem im Raum Wien ein sehr großes Publikum für das Papiertheater zu begeistern.

Ich setze das Papiertheater als gehobenes Spielzeug ein, wie es vor allem im 19. Jahrhundert gedacht gewesen ist. Wortwitz, theatralische Spektakel und soweit es geht, Originalaufnahmen vom Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Mittel, mit denen ich  mein Publikum im Alter von 2 bis 98 Jahren anspreche und zu begeistern versuche. Ich bin mit meinem Repertoire schon beim Puppentheaterfestival in Mistelbach, beim Figurentheaterfestival in Wels, im Spielzeugmuseum in Salzburg, in der OED-Mühle am Mondsee,  im MÖP-Figurentheater in Mödling, im Volkskundemuseum in Wien, in den Bezirksmuseuen Wieden und Simmering  in Wien, im „Kleinen Theater im Pförtnerhaus“, sowie im i-piccoli – Gerhard Weiss Theaterwerkstatt in München, bei Maestro Gustav Kuhn in Montegral bei Lucca, im September 2012 beim Elbe Elster Puppentheater Festival,  im Servus TV, im Salzburger Marionettentheater und bei vielen privaten Veranstaltungen bei Freunden und im eigenen Atelier aufgetreten.

Besonderes Augenmerk lege ich darauf bei Kindern und Jugendlichen mit dem  Workshop „VON DER SCHUHSCHACHTEL ZUM PAPIERTHEATER“ den Funken der Fantasie zum Leuchten zu bringen. Bei mehreren Workshops in der Löwenapotheke in Aspern, in der Volksschule in Wr. Neudorf , beim Puppentheaterfestival in Mistelbach und bei vielen privaten Gelegenheiten konnte ich mit Kindern verschiedener Altersstufen das Interesse am Theaterspiel im kleinen und die Fantasie anregen.

Mit der Pflege dieser seltenen Spielform bin ich einer von etwa 25 Papiertheaterspielern in Europa.



Ich freue mich über viele Zuschriften.sowie