Montag, 8. April 2013


Wie ein neues Stück entsteht

DES KAISERS NEUE KLEIDER

Als Burleske für das Papiertheater


Beim Lesen habe ich manches Mal das Gefühl, dieses oder jenes sei sicher geeignet, um im Papiertheaterbühnchen „dramatisiert“ zu werden. So erging es mir auch bei Hans Christian Andersens Märchen: DES KAISER NEUE KLEIDER.
Naturgemäß suche ich mir immer Stücke aus, für die es keine Papiertheaterfiguren oder Bühnenbilder gibt. Es ist dann immer eine wunderschöne Herausforderung, vorerst einmal alles Erforderliche für eine Inszenierung zu finden.
Bei Benno Mitschka’s Multum in Parvo Papiertheater , http://www.papiertheater-shop.com/, fand ich traumhafte Bühnenbilder und auch halbwegs passende Figurenbögen, die ich aber erst für dieses Stück anpassen bzw. um einiges selbstgezeichnetes ergänzen mußte. Gerade aber das macht mir ja die allergrößte Freude.

Erste Ideen
Andersen schrieb seine „Märchen“ ja sehr oft mit einer gehörigen Portion Sozialkritik – siehe DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN . So auch DES KAISERS NEUE KLEIDER. Selbstverständlich könnte man dieses Stück ganz leicht in die heutige Zeit versetzen und müßte nicht unbedingt die Figur des Kaiser der Lächerlichkeit aussetzen. Aber, wenn man jetzt doch so schöne Bühnenbilder hat!! Bei der Beschäftigung mit dem Stück stieß ich auf eine Beschreibung des Stückes, wo davon gesprochen wurde, daß die Eitelkeit des Kaisers und die Sorge seiner gesamten Umgebung nicht als „Ungeeignet für das Amt oder sogar dumm“ angesehen zu werden, sicher ausgezeichnet für eine Burleske eignet. Herrlich. Auf diese Weise kann man den sozialen Zeigefinger sehr gut tarnen.

Szenische Umsetzung

Nach dem ausgezeichneten Erfolg bei meinem Stück vom GEVATTER TOD, welches auf zwei Spielebenen dargestellt wird, hatte ich  nun die Idee, auch DES KAISERS NEUE….. auf zwei Spielebenen abzuwickeln. Die eine Ebene ist die des Hofs, mit Kaiser, Minister, Hofdamen und allen da noch dazugehören wollen. Und die zweite – tiefer gelegene -  Ebene ist die des Personals, des Volkes und natürlich auch der betrügerischen „Weber“.

Um besonders darauf hinzuweisen, daß dies alles nur ein unsichtbares Lügengespinst ist, was hier auf einem – wahrscheinlich aus gar nicht vorhandenen – Webstuhl vorgegeben wird produziert zu werden, wollte ich diesen „Keller“ nur schwarz darstellen und deute den Webstuhl, und einiges Zubehör nur mit ein paar wenigen Kreidestrichen an.

Ich setzte mich also zunächst einmal hin und schrieb ein Konzept, vor allem aber zeichnete ich Skizzen, wie ich mir die Bühneneinrichtung vorstellte.





Anpassung des Figurenmaterials und Herstellung neuer Figuren

Wenn also Figuren wohl zum großen Teil für ein Stück verwendet werden können, teilweise aber angepaßt bzw. ergänzt werden müssen, beginnt also die Arbeit von der Skizze bis zur Reinzeichnung. Ich arbeitete also nach Bedarf einige Figuren um und zeichnete aber neue. Zum Beipiel wollte ich einen wohlbeleibten Kaiser zeigen, der lebensfroh seinen Eitelkeiten nachgeht. Ein "Dünnling" schien mir dazu nicht besonders geeignet.

 Zugleich wollte ich aber auch eine DREHFIGUR, damit sich der eitle Mensch auch von allen Seiten im Spiegel betrachten kann.

ICH HABE NICHTS ANZUZIEHEN


Das Volk schaut der Parade des Hofes zu und natürlich werden dabei die Figuren zum großen Teil zum Kaiser und nicht ins Publikum schauen. Also zeichnete ich einige Figuren nur in der Rückansicht.


Handarbeit gefragt
Damit das alles auf die Bühne kommen kann, muss auch noch geklebt und gesägt werden:

Figuren und "Stelze" sind ein Stück Karton

Einteilung der Figuren auf dem Sperrholz

Bei der Sägearbeit

















Erste Proben mit dem Bühnenbild

Wenn dann einmal der Großteil der Figuren und der Bühnenbilder fertig sind möchte ich als einmal probieren, wie denn das so aussieht. Mit dem Ansehen des Bühnenbildes wachse ich schön langsam in das Stück hinein und beginne auch schon Ideen für den Stegreiftext zu sammeln.
Kaiserl. Ankleidezimmer mit Spiegel und "Untergeschoss"  Aufnahme mit DUMMYS

Die Kisten mit Gold und Edelsteinen, welche die Betrüger vom Kaiser für die Herstellung des "kostbaren Stoffes" verlangen habe ich auch mit weiß auf schwarzen Karton gezeichnet und mit dem Locher aus Folien entsprechende Stücke gestanzt und aufgeklebt.

Die kaiserl. Dienerschaft bringt die für den Tag ausgesuchten Kleidungsstücke

Die Geschichte entwickelt sich dann Schritt für Schritt auch nach praktischen Überlegungen. Im Gegensatz zu anderen Papiertheaterspielern bin ich ja ein wirkliches EINMANNTHEATER und muß mir daher auch alles so einrichten, daß ich es mit zwei Händen, einem Mund und einem Fuß (für einen allf. Fußschalter) durchführen kann.
Die Lieferung der kaiserl. Kleidung zur morgendlichen Anprobe gehört zur Entwicklung des Stückes. Die Figuren habe ich dafür umgearbeitet und den Kleiderständer mit der Garderobe entworfen und reingezeichnet. Die Kleider entsprechen dann auch jenen, die der Kaiser vor dem Spiegel anprobiert.
Das alles dient der burlesken Handlung, die ich dazu im Kopf habe.

Schlußbild


Hier kann man schon die Entwicklung des Schlussbildes erkennen. Die Systematik ist ähnlich dem ersten Bild:
Ober Spielebene ist das kaiserliche Gartenparterre. Eine Ebene darunter versammelt sich das Volk. Die Einteilung in diese zwei Ebenen hat zwei Überlegungen:
Die erste ist symbolisch gemeint: "Die da oben" und "die da unten"
Die zweite ist eine rein praktische: Nur auf diese Weise bin ich halt im Stande derartige Figurenmassen auf einmal auf der Bühne für alle sichtbar zu machen.
Vielleicht war ja auch ehemals eine praktische Überlegung, den Papst auf der Setia durchs Volk zu tragen: Nur so konnte er wirklich von allen gesehen werden. Heute sehen ihn nur die in der ersten Reihe.


Schau Papa, der hat ja gar nichts an!


Zum Schluss  friert dem nackten Kaiser und sein Page bringt ihm seine ordentlichen alten Kleider. Beim zeichnen dieser Figur war ich wahrscheinlich beim Schluss des ROSENKAVALIERS! Der Abgang könnte ungefähr so über die Vorbühne  aussehen:
Abgang mit einer Symbolfigur



Text und Musik
Beides wird sehr improvisiert. Die Musik wird von einem Kurbelspielwerk kommen. Die Lochstreifen dazu werden gerade gestanzt! Der Text entspricht nur einem ziemlich fixen Handlungsverlauf, der dem Märchen von Hans Christian Andersen entspricht. Lediglich der dem Stück sinngebende Satz: DIESE KLEIDUNG IST FÜR JEDEN UNSICHTBAR, DER FÜR SEIN AMT NICHT TAUGT ODER UNVERZEIHLICH DUMM IST - muss so und nicht anders kommen und ziemlich einprägsam den Zuschauern nahe gebracht werden.


Einladung zum Austausch
Ich hoffe, mit diesen Zeilen Bildern viele am Papiertheater interessierte Menschen erreichen zu können und lade auch alle gerne ein, mit mir dazu zu korrespondieren: entweder über diesen Blog, oder direkt per Email: ulrich.chmel@papiertheater.at .
Vielleicht finden sich auch andere Papiertheaterspieler, die Ihre "Geheimnisse" transparent machen. Schön wär's.

NACHTRAG
Obwohl dieses Thema sehr viele - 51 ! -  Interessenten gefunden hat, was mich ja wieder sehr freut, hat sich bisher niemand gefunden, sich auf einen Austausch via Kommentar oder Email einzulassen, Was wieder schade ist.

Nun habe ich auch noch die fehlenden endgültigen Bühnenbildversionen nachzutragen. Der "Keller", in welchem sich das Personal und die betrügerischen Weber aufhalten ist nun fertig gestaltet:

 Hier kann man erkennen, wie der Kaiser das Gespräch zwischen seinem Minister und den "Webern" belauscht. Der Text an der schwarzen Wand wird im Zuge der "Einrichtung" durch die Weber freigelegt, damit alle, auch das Publikum, nie vergessen, worum es eigentlich geht. Hier bei dieser Scene ist ja der Minister eigentlich schon das erste Opfer, denn er sieht ja nichts - weil gar nichts hier ist - und trotzdem möchte er sein Amt behalten. Also wird er den Kaiser anlügen.
Dies ist jetzt die fertiggestellte Eingangsszene, bei welcher man den Kaiser bei der morgenlichen Anprobe beobachten kann und im "Keller" den Bediensteten mit dfer frischen Wäsche voerbeigehen sieht.

2. Nachtrag
ZUM SCHLUSS DER BEGINN
Im Zuge der Proben ist mir aufgefallen, daß die Weber zu Beginn des Stückes eigentlich im Städtchen des Kaisers ankommen sollten. Also habe ich die vorhandene Kutsche aus DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN kopiert und umgearbeitet. Auch habe ich ein STÄDTCHEN aus vorhandenen nicht benötigten Papiertheaterbögen "gezaubert". Wichtig dabei war, alles neu und kräftiger zu colorieren, damit die Kulissen plastischer wirken.
Und so sieht nun der Beginn aus:





Also wer schreibt mir?

Euer
Ulrichderkulissenschieber aus Wien



3 Kommentare:

  1. Chapeau! Vielen Dank für den Einblick in Deine kreativen Prozesse. Die Figuren sind wirklich toll geworden. Beste Grüße aus Mering an den Wiener Meister des Papiertheaters, Benno

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  2. Lieber Kulissenschieber,

    dieser ausführliche (und wörtlich zu nehmende) Blick hinter die Kulissen ist absolut genial! Ich hoffe, daß ich das neue Stück sehen kann, wenn alles fertig ist.

    Viele Grüße aus Pappenheim

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  3. Ihr Lieben nah und fern!
    habt Dank für Euren ermunternden Worte. Ich bastle gerade am "Textfahrplan" für das Stück, das ja als Stegreifstück aufgeführt werden soll. Was mir dazu einfallen muß: Ein "Knaller" für jedes Bild, damit es nicht nur ein schönes Bühnenbild mit Text und Musik wird.
    Euer Ulrichderkulissenschieberzuwien

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